Predigt zur Hl. Elisabeth von Thüringen
von Elisabeth Stanggassinger, Gemeindereferentin in München, gehalten am 19.11.2024 in St.Michael in Rahmen der Abendmessen mit Frauenpredigten:
Liebe Versammelte in der Geistkraft Gottes,
was macht glücklich? – Das Evangelium heute gibt darauf eine Antwort. Deshalb steht es gleich nach den Seligpreisungen! Es ist absolut keine Anweisung, wie man als Christ und Christin zu leben hat. Aber wir hören das so, wegen unseres Jahrhunderte lang eingetrichterten Hörmusters, das wir verinnerlicht haben. Wir hören Befehle: Liebe Deine Feinde! Halte die andere Wange hin! Gib Dein letztes Hemd! Usw. Aber das ist es nicht! Es ist schlicht so: Ich bin frei, wenn ich nicht zurückhassen muss, wenn jemand mich anfeindet. Ich bin frei, wenn ich nicht zurückschlagen muss, wenn mich jemand schlägt. Ich bin frei, wenn ich dem, der mir den Mantel nimmt, auch noch das Hemd lassen kann. Und was für eine Freiheit ist es, wenn ich die lieben kann, die mich nicht lieben? Wenn Liebe mehr ist als ein Tauschgeschäft! Wenn Gutes tun mehr ist als ein Tauschgeschäft.
Das ist es, was Franziskus in tiefster Armut tanzen ließ in den Straßen von Assisi. Und das, dieses unbändige Glück dieser inneren Freiheit war es auch, was Elisabeth von Thüringen erlebt hat und gelebt hat. Wer die Bewegung Gottes mitmacht, der wird glücklich. Und das ist immer eine Bewegung von oben nach unten. Die Bewegung hin auf Augenhöhe. Elisabeth spürt, dass es zum Glücklichwerden im Sinne des Evangeliums nicht genügt, Almosen zu geben (wie das ja bei Fürsten und Fürstinnen der damaligen Zeit durchaus üblich war), weil die Gottesbewegung fehlt. Sie sucht das tiefe Glück, das sie aus der Botschaft Jesu herausspürt. Deshalb geht sie selbst hinunter von ihrer Burg, hin zu den Menschen, die im Elend leben. Und das Glück, die Freude liegen in diesem Tun – deshalb ist es auch schade, wie Teile dieses Evangeliums heute übersetzt sind. In unserer Übersetzung heißt es: „Welchen Dank erwartet ihr dafür?“ – Das steht da aber nicht. Es steht: Welcher Dank ist Euch (poia umin caris estin steht da!). Der Dank liegt im Tun. Es erfüllt mich mit tiefster Dankbarkeit, dass ich da sein kann für andere. Ich brauche kein Dankeschön von außen. Ich bin in meinem Tun erfüllt von Dankbarkeit und Freude. Das ist die Botschaft Jesu.
Und das, so meine ich, will auch eine kleine Geschichte ausdrücken, die von Elisabeth erzählt wird. Als sie, so heißt es, ganz im Dorf mitlebte, nicht mehr oben auf der Burg, da ging sie auf einer Planke der Straße. Die Straßen waren beplankt, weil dort so viel Kot und Dreck lagen, dass man nicht gehen konnte. Eine alte Frau, die Elisabeth vormals aufopferungsvoll gepflegt hatte, kam ihr entgegen, aber anstatt ihr Dankbarkeit entgegenzubringen, stieß diese Frau, so heißt es, Elisabeth in den Dreck. Und weiter heißt es, Elisabeth lachte, als sie aufstand und weiterging. – Der Dank ist im Tun. Das heißt aber im Umkehrschluss: Wenn ich Dank erwarte, oder mich sogar ärgere, weil man sich nicht bei mir bedankt hat, dann habe ich nicht im Sinne der Botschaft Jesu gehandelt. Denn dann hat mich mein Tun allein nicht mit Freude erfüllt. –
Heilig, heilsam ist nicht, was ich tue, sondern heilsam, heilig, heilend ist die Freude, das Glück, das mich durch mein Tun durchdringt. Wenn ein Mensch spürt, dass mein Herz vor Liebe glüht, wenn ich mich ihm zuwende, dann ist fast egal, was ich tue. Die Begegnung wird heilsam sein.
Elisabeth war heilsam in diesem jesuanischen Sinne. Ludwig, ihr Mann, hat das nicht nur gespürt, sondern hat das mit ihr gelebt. Deshalb gab es auch zwischen diesen beiden kein oben und unten, sondern eine Partnerschaft, wie sie gleichberechtigter heute noch kaum zu finden ist. Auch das ein Wunder für die damalige Zeit. Ja, Elisabeth ist zurecht eine große Heilige.
Aber es liegt ein großer Schatten auf ihrem Leben. Dieser Schatten heißt Konrad von Marburg.
Bis zum Jahr 1225 wurden Elisabeth und Ludwig von einem franziskanischen Laienbruder namens Rodeger geistlich begleitet. Dann wurde der mit der thüringischen Landgrafenfamilie befreundete Konrad von Marburg zum Beichtvater der jugendlichen Elisabeth bestellt.
Elisabeth und Ludwig hatten ihn von da ab als Beichtvater und beide haben sich mit Gelübden an ihn gebunden. Aber Konrad von Marburg war ein Fanantiker. Ein vom Papst ernannter Kreuzzugsprediger, der sich immer mehr radikalisierte und schließlich zu einem der grausamsten Großinquisitoren Deutschlands wurde. Kaum jemand hat mehr Menschen auf den Scheiterhaufen kirchlicher Macht verbrennen lassen, als er.
Zuerst überredete er Ludwig, sich dem 5. Kreuzzug Kaiser Friedrichs des II. anzuschließen. Noch in Italien zog sich Ludwig eine schwere Infektion zu und starb daran. Als Elisabeth es erfuhr, brach in ihr eine Welt zusammen … und auch ihre äußere Welt brach zusammen. Denn Ludwig war es, der ihr den Schutz für ihr besonderes Tun gab, welches von großen Teilen der Schwiegerfamilie und dem gesamten Hofstaat immer schon verächtlich und verärgert beobachtet wurde. Aus Angst um das eigene Vermögen.
Aber viel schlimmer war, wie Konrad von Marburg in seinem Fanatismus an ihr gehandelt hat. Zuerst, als sie nach dem Tod ihres Mannes noch auf der Burg lebte, zwang er sie – was irgendwie noch dem damaligen Armutsideal entsprach – an der höfischen Tafel nur noch das zu essen, von dem sie wusste, dass es niemand unter Zwang herstellen musste. Das führte so weit, dass Elisabeth und ihre beiden Gefährtinnen Guda und Isentrud von Hörselgau, oft und schwer hungern mussten an der gedeckten Tafel.
Aber noch brutaler war:
Konrad von Marburg zwang Elisabeth, sich von ihren 4 Kindern loszusagen, er zwang sie zur Trennung von ihren Vertrauten Guda und Isentrud von Hörselgau und am allerschlimmsten: Er strafte sie mehrfach hart, um ihren Willen zu brechen. Den Willen einer begnadeten Frau. – Die Quellen berichten unter anderem davon, dass er sie einmal so sehr von seinen Dienern schlagen ließ, dass sie die Spuren der Bestrafung über Wochen trug. Auch er selbst peitschte sie aus für irgendwelche selbsternannten Vergehen.
Elisabeth von Thüringen starb nicht, weil sie sich aufgeopfert hat für die Kranken in ihrem Hospital, sie starb an geistlichem Missbrauch. Sie starb, weil sie die Gelübde nicht brechen wollte, die sie diesem Geistlichen zusammen mit Ludwig gegeben hatte. Sie starb, weil Konrad von Marburg aus der Heiligen eine Heilige nach seinen Maßstäben machen wollte.
Und das Schlimmste ist: Die Strukturen für solch einen geistlichen Missbrauch gibt es heute noch. Diese Struktur von oben nach unten, die sogenannte Hierarchie.
Diese Struktur, die einem einzelnen Priester mehr Macht gibt, als einer ganzen Gemeinde. – Und so wundert es auch nicht, dass da, wo heute im Evangelium übersetzt ist: „Erlasst einander die Schuld, dann wird auch euch die Schuld erlassen werden“, dass da im Griechischen einfach nur steht: „Befreit, und ihr werdet befreit werden (apoluete, kai apoluthsete!).
Es braucht Wandlung, tiefgreifende Befreiung aus den alten Mustern, damit das Heilige wieder durchkommen kann. Damit das Heilende, das Heilvolle der Botschaft Jesu wieder durchkommen kann.
Elisabeth ging den Weg ihrer Berufung immer weiter. Trotz aller Demütigungen, trotz widrigster Umstände und brutalster Gewalt blieb sie bei denen, für die sie da sein wollte. Sie war – für mich unfassbar - die heilsam-glückliche Frau bis an ihr Lebensende. Und so möchte ich diese Predigt beenden mit einem Wort von Elisabeth, der großen Heiligen Elisabeth von Thüringen. Nehmen wir es als Zuruf an uns alle:
„Seht, ich habe es immer gesagt, man muss die Menschen froh machen“.
Wer den zugehörigen Evangeliumstext und die Predigt nachhören möchte, kann dies hier: https://www.st-michael-muenchen.de/fileadmin/smb/Redaktion/Dateien/MP3/Predigten/2024/Predigt_Elisabeth_Stanggassinger_St.Michael_191124.mp3