Papst Franziskus hat Erwartungen geweckt, denen er nun nicht standhält – Designierter französischer Botschafter ist persona non grata.

Von Julius Müller-Meiningen.

„Verblüffender Widerspruch“: Papst Franziskus. Foto: afp

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„Verblüffender Widerspruch“: Papst Franziskus. Foto: afp

Vatikanstaat – „Wenn jemand schwul ist, den Herrn sucht und guten Willen hat, wer bin ich, über ihn zu urteilen“, sagte Papst Franziskus bei einer Pressekonferenz auf dem Rückflug vom Weltjugendtag in Rio de Janeiro 2013. Sein Pontifikat war damals gerade erst vier Monate alt, die Weltöffentlichkeit verstand diese Worte als veränderte, offenere Haltung der katholischen Kirche gegenüber Homosexuellen, auch wenn der Papst sich mit diesem Satz im Rahmen des katholischen Lehramts bewegte. Danach sind nicht homosexuelle Personen, aber wohl homosexuelle Handlungen zu verurteilen.

Jetzt, wo der Fall des designierten französischen Botschafters beim Heiligen Stuhl, Laurent Stéfanini, an die Öffentlichkeit gekommen ist, wendet sich das vielleicht am meisten missverstandene Zitat dieses Papstes gegen seinen Urheber. Stéfanini wurde von der französischen Regierung am 5. Januar nominiert und ist bis heute nicht akkreditiert. Der Grund, so sind sich französische wie italienische Medien sicher, liegt in der Homosexualität des Kandidaten. Stimmen Worte und Taten des Papstes bei diesem für die Kirche sensiblen Thema etwa nicht überein?

Zündstoff hat die Thematik zudem, seit bei der außerordentlichen Bischofssynode im Oktober erstmals offen von einer „Willkommenskultur für Homosexuelle“ in der Kirche die Rede war. Die programmatische Öffnung gegenüber Homosexuellen wurde vom streng konservativen Flügel der Bischöfe rasch wieder kassiert. Statt von einer Willkommenskultur zu profitieren, ist der designierte Botschafter Stéfanini im Vatikan nun persona non grata. Wie es scheint, handelt es sich bei dem neuen Kurs der Kirche vor allem um ein großes Missverständnis.

Wenn den Worten Taten folgen sollen, sieht die Kirche alt aus. Es ist vor allem dem Papst anzulasten: Franziskus hat Erwartungen geschürt, die kaum zu erfüllen sind. Das wird sich wohl auch bei der ordentlichen Bischofssynode im kommenden Herbst erweisen. Doch der Fall Stéfanini ist komplex. Einen Monat nach dem Akkreditierungs-Gesuch bestellte der Nuntius in Paris, Erzbischof Luigi Ventura, den designierten Botschafter zu einem informellen Gespräch ein und legte ihm den Rückzug seiner Kandidatur nahe, angeblich wegen Stéfaninis Homosexualität. Der Betroffene, ein praktizierender Katholik, der sich 1998 vom heutigen Pariser Erzbischof, Kardinal André Vingt-Trois, hatte firmen lassen und von diesem im Vatikan empfohlen worden war, zog seine Bewerbung nicht zurück mit dem Hinweis, schließlich habe ihn der Élysée-Palast nominiert.

Die französische Regierung hält bis heute an Stéfanini fest, weil er „einer der besten Diplomaten und der beste für die Vatikanbotschaft“ sei, wie es offiziell heißt. Der 55-Jährige war zuletzt Protokollchef im Élysée-Palast und von 2001 bis 2005 erster Berater des französischen Botschafters am Heiligen Stuhl. Johannes Paul II. verlieh Stéfanini damals wegen seiner Verdienste sogar den Gregoriusorden.

Vor einigen Tagen soll Stéfanini nach bestätigten Presseberichten nun von Papst Franziskus zu einem informellen Treffen im Vatikan bestellt worden sein. Franziskus habe dem Diplomaten gesagt, er habe nichts gegen ihn persönlich, wohl aber gegen die Haltung der französischen Regierung. Die habe jüngst nicht nur die „Ehe für alle“ in Frankreich legalisiert, sondern den Vatikan mit der Nominierung Stéfaninis in Verlegenheit gebracht. Regierungen wissen, dass es gängige Praxis des Heiligen Stuhls ist, Diplomaten in „irregulären Ehesituationen“ das Agrément zu verweigern. Dazu zählen wiederverheiratete Geschiedene ebenso wie homosexuelle Partnerschaften. Bereits 2007 hatte der Heilige Stuhl dem designierten französischen Botschafter Jean-Loup Kuhn-Delforge die Akkreditierung verweigert, weil er in einer eingetragenen Partnerschaft mit einem Mann zusammen lebt. Stéfanini hingegen ist ledig, steht aber zu seiner Homosexualität, ohne sie explizit zu thematisieren. Eine „irreguläre Ehesituation“ läge somit aus Sicht des Vatikan gar nicht vor.

Die Einlassungen des Papstes gegenüber Stéfanini, sollten sie so geäußert worden sein, sind auch aus der Perspektive des Heiligen Stuhls nicht schlüssig. Was bleibt, ist Spekulation: Gemutmaßt wird nun einerseits, Stéfanini sei Opfer einer politischen Auseinandersetzung zwischen dem Heiligen Stuhl und der französischen Regierung. Andere hingegen unterstellen dem Papst Scheinheiligkeit. So schreibt der gewöhnlich gut informierte Vatikan-Journalist Sandro Magister: Die Ablehnung Stéfaninis als Botschafter stehe im „verblüffenden Widerspruch zur Zahl homosexueller Kleriker“, die in den „beiden vergangenen Jahren in der Kurie auf bedeutende Posten befördert wurden und in engem Kontakt mit dem Papst stehen“. Magister nennt etwa Monsignor Battista Ricca, den Franziskus zum Prälaten bei der Vatikanbank machte.

Auch der ehemalige französische Außenminister Bernard Kouchner, der sich in einem Interview zum Fall äußerte, wirft dem Vatikan Doppelmoral vor. „Der Vatikan scheint mir nicht in der besten Situation zu sein, Homosexuelle abzulehnen“, sagte er. Auf Papst Franziskus wolle er jedoch nichts kommen lassen. Ihn verehre er weiterhin, so Kouchner.

Quelle: OVB